Experteninterview: Wie werde ich zum Lehrbetrieb?

4 Min
24.08.2023 06:30:00

Die Entscheidung, ein Lehrbetrieb zu werden, ist ein bedeutender Schritt. Bruno Schumacher, Leiter der Berufsbildung bei der Schweizerischen Post AG, erklärt die Voraussetzungen und strategische Bedeutung der Ausbildung für dein Unternehmen. Darüber hinaus teilt er hilfreiche Tipps, damit du optimal starten kannst und die Bildungsbewilligung erhältst.  

Welche Voraussetzungen sind notwendig, um ein Lehrbetrieb zu werden? 

Bruno Schumacher: Es ist entscheidend, dass die Geschäftsleitung von Anfang an davon überzeugt ist und sich dafür engagiert. Ist das Unternehmen bereit, Zeit und Geld in die Ausbildung der Lernenden zu investieren? Ein Anreiz ist oft der Aufbau eines Unternehmens-Image: Gerade für lokal verankerte KMU wirkt es sich positiv auf das Ansehen der Firma aus, Jugendlichen in der Region eine berufliche Perspektive zu bieten. Natürlich sollte auch klar sein, welche Berufe du ausbilden willst. Viele KMU bilden für den Eigenbedarf aus, entweder aufgrund von Fachkräftemangel oder um mittelfristiges Wachstum zu ermöglichen.  

Zu den Grundvoraussetzungen gehören umfangreiche und spannende Aufgaben sowie eine zeitgemässe Infrastruktur. Das SBFI (Sekretariat für Bildung, Forschung und Innovation) stellt auf seiner Website grundsätzliche Informationen zur Verfügung, wie auch berufsspezifische Bildungsverordnungen und Bildungspläne. Anspruchsvoll wird es beispielsweise bei sehr technischen Berufen wie etwa Automatiker oder Mediamatiker, die teure Maschinen oder Equipment erfordern. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, sich mit einem anderen Unternehmen, das die nötige Infrastruktur hat, zusammenzuschliessen. Die Lernenden verbringen dann beispielsweise ein oder zwei Lehrjahre im Partnerbetrieb.  

Was sind die Anforderungen an die Ausbildungspersonen? 

Die verantwortlichen Ausbildungspersonen sollten die fachlichen Anforderungen erfüllen. Neben einem entsprechenden Abschluss im Berufsfeld und dem absolvierten Berufsbildnerkurs ist es aber genauso wichtig, dass sie an der Arbeit mit Jugendlichen interessiert sind und ihre Bedürfnisse verstehen. Dazu gehört meiner Meinung nach auch die Bereitschaft, sich selbst und aktuelle Prozesse zu hinterfragen. Denn Lernende arbeiten jeweils mit der neusten Technik und haben Kontakt zu anderen Firmen, wodurch sie neues Wissen in die Firma einbringen. Das ist übrigens nur einer von vielen Benefits eines Lehrbetriebs. Hier zeigt Bruno Schumacher auf, warum es sich lohnt, Lehrlinge auszubilden. 

 

  Bruno Schumacher Post RUND  
«Gerade für lokal verankerte KMU wirkt es sich positiv auf das Ansehen der Firma aus, Jugendlichen in der Region eine berufliche Perspektive zu bieten.» 

Bruno Schumacher, Leiter der Berufsbildung, Schweizerische Post AG

Wie gehe ich vor, um die Bildungsbewilligung zu erhalten? 

Um Lehrbetrieb zu werden, ist die Bewilligung des Kantons erforderlich. Dieser kontrolliert auch regelmässig, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Kantone sind sehr daran interessiert, Unternehmen bei der Einrichtung von Lehrbetrieben zu unterstützen und beraten dich daher gerne. Du kannst dich telefonisch an die entsprechende Ansprechperson wenden oder dich online informieren. Zusätzlich bieten auch Branchenorganisationen und Organisationen der Arbeitswelt (z. B. ICT-Berufsbildung Schweiz, SwissMEM) umfängliche Unterstützung an. Insbesondere für berufsspezifische Informationen sind diese eine gute Anlaufstelle. 

Wie gehe ich am besten vor bei der Lehrlingssuche? 

 Bringe zunächst die Karriereseite deiner Website auf den neusten Stand: Stell deine Firma, dich, dein Team und die Ausbildungsstelle vor – am besten mit einem Video. So erhält dein Unternehmen ein Gesicht, was Vertrauen schafft. Um die Lehrstelle dann bekannt zu machen, empfehle ich folgende Kanäle: 

  • Die Lehrstelle ausschreiben: Die Kantone und das Informationsportal Berufsberatung.ch sind kostenlose Plattformen. Daneben gibt es einige weitere kostenpflichtige Plattformen. 
  • Mit lokalen Schulen zusammenarbeiten: Schulen vermitteln den Jugendlichen oft Schnupperlehren. Darum ist es wichtig, ihnen mitzuteilen, dass die Firma nun Ausbildungsplätze anbietet.
  • Das eigene Netzwerk nutzen: Informiere das berufliche wie auch private Umfeld darüber, dass du nun ein Lehrbetrieb bist und Lernende suchst. 
  • Das Team einbinden: Wenn deine Mitarbeitenden in ihrem Umfeld erzählen, wie gerne sie bei dir arbeiten, ist das tolle Werbung für dein Unternehmen und die Ausbildungsstelle. 
  • Lokale Berufsmessen: Die verschiedenen Handels- und Industrievereine organisieren jährlich regionale Berufsmessen. Dein Unternehmen dort zu präsentieren, hilft, schnell als Ausbildungsbetrieb wahrgenommen zu werden.  

Tipp: Branchenorganisationen stellen oft kostenlos Videos zur Verfügung, die einzelne Berufe vorstellen. Diese kannst du auf deiner Karriereseite einbauen.  

Die ersten Lernenden haben sich beworben – was nun? 

«Match-entscheidend», um passende Lernende zu finden, ist die Schnupperlehre: Dort wird schnell klar, wer wirklich Interesse am Beruf und der Firma hat, sowie die nötigen Kompetenzen mitbringt. Die Schnupperlehre sollte ein bis drei Tage dauern. Sie kann auch zweistufig gestaltet sein: Fünf Jugendliche besuchen einen Tag lang den Betrieb und diejenigen, die wirklich Interesse zeigen, werden für einen oder zwei weitere Tage eingeladen.  

Wichtig dabei ist, zu beachten, dass sich nicht nur die Schülerinnen und Schüler von ihrer besten Seite zeigen. Auch du als Unternehmen solltest dich möglichst authentisch geben. Gerade im aktuellen Arbeitsmarkt, in dem die Jugendlichen sich ihre Lehrstelle schon fast aussuchen können, sollte das nicht unterschätzt werden.  

Hast du noch weitere Tipps? 

Sei dir bewusst, dass ihr mit den Lernenden zusammen eine Reise startet, die manchmal von beiden Seiten Durchhaltewillen und Verständnis erfordert. Wenn man sich aber Mühe gibt, kommt extrem viel zurück von den Jugendlichen – nicht nur in Form von guter Arbeit, sondern auch auf emotionaler Ebene.  

Du hast bereits passende Lehrlinge gefunden? Hier findest du eine Checkliste, was du dabei beachten musst. Und hier findest du alle wichtigen Informationen zum Lehrvertrag – inklusive Vorlage. 

Weiterführende Informationen zur Berufsbildung bei der Schweizerischen Post findest du hier.

 

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