Experteninterview: Was kann künstliche Intelligenz?

5 Min
24.04.2024 13:56:51

Für die einen ist künstliche Intelligenz (KI) eine willkommene Unterstützung im (Arbeits-)Alltag, andere sehen sie skeptische. Sicher ist eines: Spätestens seit ChatGPT ist KI ein vieldiskutiertes Thema. Dabei ist der Einsatz von «intelligenten Maschinen» nichts neues. Auch die Business-Software von KLARA arbeitet mit künstlicher Intelligenz. Um die Chancen und Risiken besser verstehen zu können, haben wir haben den Experten Dr. David Jonietz, Data Science Manager bei Microsoft, zum Thema befragt.

In dieser spannenden Blogreihe wird Jonietz erklären, welches Potenzial die KI bietet, wie KMU sie erfolgreich einsetzen können und welche Fragen sich rund um Ethik und Datenschutz ergeben. In diesem ersten Teil werden die Möglichkeiten, Grenzen und Entwicklung der KI erforscht. Bleibe auf dem neuesten Stand mit dem KLARA Blog für die kommenden Beiträge.

Das Interview fand während seiner früheren Anstellung bei Axon Vibe statt.

KLARA: So manche denken bei künstlicher Intelligenz noch an Hollywood-Szenarien, in denen ein Roboter die Weltherrschaft übernimmt. Damit hat KI aber wenig zu tun. Was genau versteht man unter KI? 

David Jonietz: Experten haben Schwierigkeiten, den Begriff «Intelligenz» zu definieren. Eine vereinfachte Definition besagt, dass ein Akteur als «intelligent» gilt, wenn er Eindrücke wahrnimmt, Konzepte ableitet, zielgerichtet handelt und aus Erfahrungen lernt. Handelt es sich dabei um eine Maschine, sprechen wir von Künstlicher Intelligenz (KI). "Machine Learning" (ML) ist eine Untergruppe der KI-Technologien, bei der Algorithmen Muster aus grossen Datenmengen lernen und für verschiedene Aufgaben nutzen können. ML-Algorithmen, wie neuronale Netze, sind der vielversprechendste Ansatz im KI-Bereich und treiben Entwicklungen wie ChatGPT voran.

Was kann künstliche Intelligenz?

Generell sind die Einsatzmöglichkeiten sehr breit gestreut. Neuronale Netze  werden heute beispielsweise genutzt, um Tumore in MRT-Aufnahmen zu erkennen, die Entstehung von Verkehrsstaus oder den Verlauf von Aktienkursen vorherzusagen. Aber auch, um komplett künstliche Daten zu erzeugen: z. B. menschliche Sprache für Chatbots oder sogenannte «Deepfakes» (extrem realistisch wirkende Sprachaufnahmen, Videos oder Bilder).

Vergleichsweise einfachere ML-Algorithmen werden bereits viel in Unternehmen eingesetzt und sind teilweise sogar in grundlegenden Office-Technologien wie MS Excel integriert. Im Büroalltag können sie beispielsweise dabei helfen, Kundinnen und Kunden nach Ähnlichkeit in Typen zu klassifizieren, manuelle administrative Abläufe zu automatisieren oder die Effektivität von Werbekampagnen vorherzusagen. Auch der Spam-Filter unseres E-Mail-Providers oder die Autovervollständigung unseres Texteditors sind KI-Anwendungen.

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«Moderne KI-Systeme werden oft überschätzt. Machine Learning Systeme erreichen oft eine Genauigkeit von 98 Prozent, aber eine nahezu perfekte Genauigkeit erfordert erheblichen Aufwand.» 

Dr. David Jonietz, Data Science Manager, Microsoft

 

Was kann künstliche Intelligenz nicht, wo liegen die Grenzen? 

Moderne KI-Systeme werden oft überschätzt. Chatbots können Gedichte schreiben, Software entwickeln und Abschlussprüfungen bestehen. Dennoch können sie Fehler machen und falsche “Fakten” liefern. Dieses Problem lässt sich aufgrund der Funktionsweise der Neuronalen Netze nur schwer beheben. ML-Systeme erreichen oft eine Genauigkeit von 98 Prozent, aber eine nahezu perfekte Genauigkeit erfordert erheblichen Aufwand. Ein weiteres Problem ist der Bedarf an grossen Datenmengen und Beispielen mit korrekten Lösungen für das Training von ML-Algorithmen. Fehlende Daten stellen häufig ein Hindernis für den Einsatz von ML dar.

Wo findest du den Einsatz von künstlicher Intelligenz sinnvoll?

Gerade bei KI besteht die Gefahr des «Shiny Object Syndrom». Also das Risiko zur Nutzung moderner, innovativer Technologien für Anwendungsfälle, die durchaus auch mit einfacheren Methoden lösbar wären. KI sollte aber idealerweise nur eingesetzt werden, wenn ein Problem mit traditionellen Analysemethoden entweder gar nicht oder nur mit deutlichen Qualitätseinbussen lösbar wäre oder aber deutlich höhere Kosten anfallen würden.

Hinzu kommt, dass, wie vorher erklärt, künstliche Intelligenz Probleme häufig nur zu 98 Prozent korrekt löst. Daher ist meiner Ansicht nach momentan der Einsatz in den Anwendungsbereichen sinnvoll, wo fehlerhafte Outputs der KI keine katastrophalen Auswirkungen haben.

Wohin geht die Entwicklung? 

In den letzten Jahren ist KI im Mainstream angekommen. Immer mehr kleinere und mittelgrosse Unternehmen nutzen KI-Technologien. Grund dafür ist sicher die Digitalisierung, es stehen grössere Datenmengen zur Verfügung, mehr Fachkräfte haben KI-Kenntnisse und es gibt ein breiteres Angebot an KI-Lösungen.

Die aktuellen Entwicklungen markieren einen technologischen Wendepunkt mit noch ungewissem Ausmass. Täglich entstehen innovative Anwendungen auf Basis von ChatGPT, die unser Leben und Arbeiten grundlegend verändern. Texte, Bilder und Videos können einfach generiert werden, Informationen sind durch menschenähnliche Konversation leicht und personalisiert verfügbar.

Sicher ist: Diese Technologien sind gekommen, um zu bleiben. Unternehmen sollten daher KI-Kompetenz aufbauen, angefangen mit Bewusstsein und Anwendungskompetenz für Chatbots als neues Werkzeug, auch für nicht-technisches Personal. Auf Management-Ebenen sollte ein Grundverständnis für Potenziale und Risiken der KI vorhanden sein.

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«Diese Technologien sind gekommen, um zu bleiben. Unternehmen sollten daher KI-Kompetenz aufbauen, angefangen mit Bewusstsein und Anwendungskompetenz - auch für nicht-technisches Personal.» 

Dr. David Jonietz, Data Science Manager, Microsoft

 

Werden sich der Arbeitsalltag und die Arbeitswelt verändern?

Es ist schwierig, hier eine konkrete Prognose zu treffen. Klar ist jedoch, dass bestimmte Aufgaben, die heute von Menschen erledigt werden, zumindest teilweise von Chatbots und ähnlichen Modellen übernommen werden könnten. Einige Studien sehen für gewisse Berufsgruppen ein Risiko, durch KI ersetzt zu werden. Die Ergebnisse sind hier nicht eindeutig, aber besonders gefährdet sind demnach unter anderem Dolmetscher, Models oder Programmierer. Kürzlich hat IBM etwa bekannt gegeben, einige Stellen in der Verwaltung nicht zu besetzen, sondern mittels KI abdecken zu wollen.

Gleichzeitig entstanden durch die KI-Entwicklung bereits neue Berufsbilder, wie etwa Data Scientist oder ML-Engineer. Ganz neu ist der Beruf «Prompt Engineer», der sich auf die möglichst effiziente Interaktion mit Chatbots spezialisiert. Auch denke ich, dass KI für die allermeisten Berufsbilder die Rolle eines weiteren Werkzeugs einnehmen wird, das ermöglicht, bestimmte Aufgaben effizienter zu lösen und damit mehr Zeit für andere Aufgabenbereiche freigibt.

Im internationalen Vergleich, wie gut ist die Schweiz im Bereich KI positioniert?

Die Schweiz ist als anerkannter Hightech-Standort im Bereich KI generell gut positioniert. In der Forschung spielen die grossen Schweizer Universitäten international ganz oben mit. Auch die top Technologiekonzerne sind nahezu ausnahmslos in der Schweiz vertreten, häufig sogar mit KI-Forschungszentren wie etwa der Facebook Mutterkonzern Meta in Zürich. Auch im internationalen Rennen um KI-Fachkräfte kann die Schweiz durch ihre attraktiven Standortfaktoren punkten.

In den kommenden Beiträgen dieser Blogreihe werden wir weitere faszinierende Einblicke in die Welt der künstlichen Intelligenz erhalten. Erfahre mehr darüber, wie Unternehmen von KI profitieren können, sowie über die wichtigen Fragen rund um Ethik und Datenschutz von KI.

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